Mittwoch, 22.02.2012

Ernährung für spezielle Kranke einmal anders: St. Irmgardis-Krankenhaus testet Fingerfood

Mit Begeisterung ist „Fingerfood“ von den Patienten des St. Irmgardis-Krankenhauses Süchteln angenommen worden.

Viersen-Süchteln. Alte und kranke Menschen haben oft Schwierigkeiten mit ihrer Ernährung. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Das St. Irmgardis-Krankenhaus in Süchteln beschreitet gerade einen neuen Weg, um es den Patienten einfacher zu machen. Die Patienten testen „Fingerfood“ – mit Begeisterung.

Im Alter ist oft vieles anders
„Viele Dinge, die für uns heute selbstverständlich sind, können im Alter zu echten Hindernissen werden. So ist zum Beispiel bei einer Demenz-Erkrankung ist nichts mehr alltäglich“, erläutert Pflegedirektorin Monika Siefert. „Einige Patienten können nicht mehr mit dem Ess-Besteck umgehen, andere verweigern generell die Nahrungsaufnahme oder wissen nicht mehr um deren Notwendigkeit. Einige Patienten haben nicht die nötige Ruhe, sich zum Essen an einen Tisch zu setzen, andere stören sich am Aussehen der passierten Kost“, führt sie weiter aus.

Auch die Pflegesituation kann zu Schwierigkeiten führen: einerseits haben die Pflegekräfte nicht viel Zeit, jedem Patienten individuell ihr Essen anzureichen, andererseits wünschen die Patienten dies manchmal auch gar nicht, weil sie sich ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt fühlen.

Eine Idee nimmt ihren Lauf
Die Gesundheits- und Krankenpflegerin der Klinik für Innere Medizin des St. Irmgardis-Krankenhauses, Carmen Roemer, bekam beim Besuch ihrer demenzkranken Großmutter eine Vorstellung davon, dass Ernährung in Einrichtungen auch anders präsentiert werden kann.

Das Seniorenheim bot den Bewohnern ihr Essen in Form von Fingerfood: kleinen, mundgerechten Happen, die mit den Fingern statt mit Besteck gegessen werden. „Meine Großmutter hatte Freude an der Wahl: zwischen Blätterteigtaschen, gerollten Pfannkuchen und vielen anderen Kleinigkeiten. Sie aß überall ein bisschen und kam so auf eine gute Portionsgröße. Endlich nahm sie wieder an Gewicht zu. Und, das war wichtig – ihr schmeckte es ausgezeichnet“, erzählt Carmen Roemer.

Die Umsetzung
Sie trug diese Idee der Krankenpflegeschule und dem Stationsteam vor, die gemeinsam mit Marga Keysers, der Leiterin des Küchenteams, und Nadja Zillikens, der Diabetesberaterin und Diätassistentin des Hauses, das Projekt „Fingerfood im Krankenhaus“ ins Leben riefen.

Zunächst einmal wurde in der Klinik für Innere Medizin getestet, welche Auswirkungen diese neue Art des Essen-Angebotes auf Patienten und Pflegekräfte hat.

„Die Basis sind bekannte Gerichte, die einfach anders angeboten werden. Kein ‚normales Butterbrot‘, sondern zusammengeklappt und in Würfel geschnitten. Gemüse als Sticks, Obst als Schnitte oder einzelne Beeren, Fleisch in Würfeln oder Frikadellen – die Soße dazu gibt es als Dip separat. Auch Quarkspeisen, Pudding oder Griesbrei kann stichfest zubereitet werden, so dass er portionsweise mit den Fingern gegessen werden kann“, erläutert Marga Keysers das Prinzip. „Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: gefüllte Mini-Paprika oder Kartöffelchen, kleine Pizzen, Brötchen, verschieden befüllte Blätterteig-Taschen – das sind unzählige Variationen, bei denen jeder etwas für seinen Geschmack findet.“

Patienten sind zufrieden
Sowohl die Patienten als auch die Mitarbeiter sind von dem Probelauf begeistert. „Die Patienten essen mit Appetit und die meisten verlieren während ihres Krankenhaus-Aufenthaltes nicht an Gewicht. Und oft wird fast alles aufgegessen – das zeigt, dass es schmeckt“, freut sich Carmen Roemer.

Kritische Anmerkungen kommen einzig aus den Reihen der Angehörigen. „Es kamen schon einmal Bemerkungen, dass mit den Fingern zu essen nur etwas für Kinder sei oder Beschwerden, dass die Kleidung durch das Essen beschmutzt wird“, erläutert die Pflegedirektorin Monika Siefert. „Aber wenn man den Angehörigen dann erklärt, dass so die Selbstständigkeit der Patienten gefördert, die eigenständige Nahrungsaufnahme ermöglicht und die haptische Wahrnehmung des Patienten gestärkt wird, schwinden die Vorurteile fast immer.“

Wie geht es weiter?
Als nächster Schritt wird das Projekt im Zuge der Aktion „Stationsübernahme durch Schüler des letzten Ausbildungsjahres“ auf die Chirurgische Klinik ausgeweitet, bei der die Krankenpflegeschüler/innen Fingerfood auch ausgewählten Patienten anbieten werden.